In der Biologie können neugeborene Säuglinge in drei Gruppen eingeteilt werden. Nesthocker, wie beispielweise die Maus, Nestflüchter wie Pferde oder Antilopen und Traglinge wie verschiedene Affenarten (aktiver Tragling) und das Känguru (passiver Tragling). Traglinge sind zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht fertig entwickelt und bleiben deswegen am Körper der Mutter und werden von ihr getragen. Auch der menschliche Säugling ist der Gruppe der Traglinge zuzuordnen.
Ein kleiner Mensch wird nach neun Monaten Tragezeit geboren, zu diesem Zeitpunkt hat sein Kopf eine Größe erreicht, die gerade noch durch den Geburtsweg passt. Man spricht von einer physiologischen Frühgeburt. Es schließen sich daran mehrere Monate Reifung außerhalb des Mutterleibes an. Nichts liegt näher als der Gedanke, dass das Kind diese Monate sehr nah bei seiner Mutter oder seinem Vater verbringt.
Der frühe Mensch war Jäger und Sammler, er war fortwährend auf der Suche nach Nahrung, zog umher und trug die Kinder mit sich. Erst vor ca. 12.000 Jahren wurde der Mensch allmählich sesshaft und konnte den Nachwuchs zeitweilig an einem sicheren Ort zurücklassen. Und so stehen heute 4 1/2 Millionen Jahre währende Anpassung an das Getragenwerden einigen Jahren körperfernem Transport in Kinderwagen und Buggy gegenüber.
Tragen ist gut für die Entwicklung der kindlichen Hüfte, denn trägt man einen Säugling im Hüftsitz, ist der Oberschenkelkopf durch die leicht gespreizte und angehockte Beinstellung ideal eingestellt. Der Oberschenkelkopf schmiegt sich in die Hüftgelenkpfanne und fördert die gesunde Entwicklung des Hüftgelenks. Unterstützt wird die Ausreifung der kindlichen Hüftgelenke durch leichte Bewegungsreize, die mit jedem Schritt der Mutter auf die Hüftgelenke übertragen werden. So wird ganz nebenbei eine kindgerechte Prophylaxe gegen eine Hüftdysplasie erreicht.
Man weiß, dass in Kulturen, in denen getragen wird, Hüftluxationen nahezu unbekannt sind (afrikanische, asiatische und südamerikanische Völker).
Säuglinge sind durch ihre Becken- und Wirbelsäulenstellung an eine angewinkelte und gespreizte Haltung angepasst (sogenannte Spreiz-Anhock-Stellung).
Die Wirbelsäule eines Säuglings ist gerundet, erst wenn das Baby den Kopf halten kann, sitzen kann, laufen kann bildet sich die doppelte S-Form der erwachsenen Wirbelsäule heraus. So entspricht die Rückenkrümmung des Kindes im Tragetuch oder in der Tragehilfe seinen Erfordernissen.
Drei-Monats-Koliken sind in allen Kulturen, in denen getragen wird, unbekannt. Gründe können sein: Der Tragende spendet dem Bauch des Kindes Wärme und durch Bewegung eine leichte Massage, auf den Innenseiten der Oberschenkel befinden sich Akupressur-Punkte, die leicht stimuliert werden und krampflösend auf den Bauchbereich wirken und zuletzt: warum soll ein Baby weinen, wenn es sich nah am Körper einer lieben Person befindet und seine Bedürfnisse befriedigt werden?
Beim Tragen hört man oft den Rat: "Trag das Kind nur nicht so oft, es wird dir ewig am Rockzipfel hängen!" Doch genau das Gegenteil ist der Fall: eine starke Bindung im ersten Lebensjahr erleichtert dem Kind eine allmähliche Trennung von den Eltern auf der Basis von Selbstsicherheit und Urvertrauen.
Jene Kinder, die als Säuglinge oft alleine und abgelegt waren, versuchen die versäumte Nähe nachzuholen und hängen sich an Mamas Rockzipfel.
Die Menschheit hat schon immer getragen. Getragene Babys weinen weniger, denn das Tragen beruhigt und entspannt sie. Es ist gut für die motorische Entwicklung und unterstützt die Reifung der Hüftgelenke. Das Tragen ist bindungsfördernd und kann bei Koliken helfen. Und dazu erweist es sich im Alltag auch noch als ausgesprochen praktisch, egal ob bei der Hausarbeit, beim Sport oder beim Einkaufen.